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Wir warten aufs Christkind

Endlich, es ist so weit, Heiligabend steht vor der Tür. Doch bis zur Bescherung dauert es noch eine halbe Ewigkeit – so scheint es zumindest für Kinder, die dem Weihnachtsabend schon seit vielen Wochen erwartungsvoll entgegenfiebern.

Warten gehört schlichtweg zum Leben. Doch niemand wartet gerne. Sei es das Warten auf das Glück oder den Weltuntergang, auf einen Mann namens Godot oder eine Jahreszeit namens Lenz. Geht man davon aus, dass ein Mensch im Durchschnitt pro Tag 20 Minuten wartet, sei es morgens, bis das Bad frei wird, der Kaffee fertig ist, die Bahn da ist usw., und dass dieser Mensch 85 Jahre alt wird, dann wartet er stolze 620 500 Minuten im Leben. Das entspricht rund 10 342 Stunden bzw. 431 Tagen. Und das sind wiederum knapp 1,2 Jahre, die man wartet.

Für Prof. Dr. Hans-Joachim Busch, Diplom-Soziologe der Universität Frankfurt, hat das Warten auch etwas Positives: "Die Dinge verlieren an Reiz und Wert, wenn sie nicht mehr erwartet und erspart werden." Im Advent hat Warten eine andere Qualität. Es wird, vor allem von Kindern, nicht als lästig empfunden, sondern mit Vorfreude verknüpft. Dementsprechend bereiten wir uns hierzulande auf Weihnachten vor. Kaum jemand würde bezweifeln, dass ohne den Advent Weihnachten das wäre, was es am 24. Dezember ist.

Wir warten auf Weihnachten mit vielen schönen Ritualen, die uns guttun, wie Backen, Basteln oder Musizieren. Kinder erleben die Vorfreude in der Vorweihnachtszeit besonders intensiv. Am Beispiel Weihnachten ist Vorfreude also sicher die schönste Freude.

Und wie warten nun die Leser der Passauer Neuen Presse aufs Christkind? Haben sie jährlich wiederkehrende Rituale? Wie ist es heute, wie war es damals? Und wie wird dann der lang ersehnte Heiligabend gefeiert? Wir haben uns auf die Suche gemacht und stellen Menschen aus der Region vor, die alle unterschiedlich Weihnachten feiern.

So warten sie auf das Christkind

"Ich bin hier daheim", sagt die 87-jährige Maria Hart (Foto links) von ihrem Zuhause im BRK Seniorenzentrum Deggendorf. Dort feiert sie heute zum dritten Mal allein Weihnachten. Ihr Ehemann verstarb schon früh, ihr Sohn kann sie seit einem Schlaganfall nicht mehr besuchen. "Aber das macht mir nichts aus", meint sie und macht es sich vor dem Fernseher gemütlich. Gerne schwelgt sie in Erinnerungen: "Mit meinen neun Geschwistern war Weihnachten die größte Freude, aufs Christkind warteten wir im Bett. Wir waren zwar arm, aber zufriedener als so manch einer heute."

Das erste Weihnachten in Sicherheit kann Chosen Paul Innocent (Foto rechts) feiern. Der 31-Jährige kommt aus Nigeria und ist Christ. Seit sieben Monaten lebt er im Asylbewerberheim in Böbrach. Er flüchtete wegen religiöser Konflikte. Immer, wenn ihm seine Familie fehlt, geht er spazieren und freut sich über die Weihnachts-Deko der Deutschen. Im Osten Nigerias wird Weihnachten eine Woche lang gefeiert. Heute wird es für ihn klein ausfallen: Er geht in die Kirche und macht sich einen ruhigen Abend mit Lebkuchen, "denn der schmeckt wie Weihnachten", sagt er.

Weihnachten als gemütlicher Hüttenabend: Eine Clique (Foto links) aus Kirchdorf am Inn (Landkreis Rottal-Inn) fährt seit 2007 jedes Jahr über Weihnachten auf die Simbacher Hütte bei Hinterglemm/Leogang, um dem Weihnachtsstress zu entgehen. Die eingeschworene Gruppe besteht aus rund zehn Vereinsmitgliedern der Strohhamer Sumpfbiber. Mittlerweile haben sie auch schon ein Ritual: Das Warten aufs Christkind wird verkürzt, indem sie im Wald einen kleinen Tannenbaum fällen und ihn mit selbst gebasteltem Schmuck behängen.

Langeweile vor der Bescherung? Im Altöttinger Kloster Bruder Konrad (Foto rechts) kennt man die nicht. "Bei uns hat an Heiligabend jeder gut zu tun", erklärt Bruder Georg Greiml. Zum Beispiel mit dem weihnachtlichen Schmuck im Kloster: "Damit warten wir Kapuziner bewusst, weil die Weihnachtszeit schließlich erst am 24. Dezember beginnt", erklärt der 53-Jährige. Vor der Christmette kommen die Mönche dann zu einer besinnlichen Feier zusammen. "Große Geschenke gibt es untereinander aber nicht", sagt Bruder Georg. "Höchstens mal ein Buch oder Socken."

Traditionell, familiär und einfach feiern die Hauzenberger Drillingseltern Janina Scheibenzuber (23) und Martin Eder (27) Weihnachten mit ihren zweijährigen Söhnen Louis, Toni und Jonah (Foto links). Erstmals besuchen sie mit dem dreifachen Nachwuchs die Kindermette, dann stehen Eltern- und Oma-Besuche mit Bescherung an. Vom Christkind bekommen sie eine große Handwerkerbank – damit sie schon früh das Teilen lernen. Janina und Martin wünschen sich vor allem "ruhige, besinnliche Stunden" – die haben sie als Drillingseltern viel zu wenig.

Quelle: PNP, 24.12.2011